„Die Güte und Menschenliebe Gottes, unseres Retters, ist uns erschienen“
(Titus 3,4)
1.
Die Gnade der Rückkehr. Unsere Gottesferne führte uns zunehmend in
eine absolute Entfremdung. Diese Entfremdung lässt uns fliehen vor Jemandem und
heimlich ein Glück suchen, das uns ständig zu entrinnen scheint bzw. nicht
wirklich Frucht in unserem Leben trägt. Die Rückkehr ist kein Willensakt des
Menschen. Sie basiert auf einer Anziehung, die Gott auf den Menschen ausübt,
gleich einer Präsenz absoluten Wertes, die sich ihm aufdrängt, meist sehr
langsam, und nach und nach auf jegliche Entscheidung oder Neigung des Menschen
Einfluss nimmt. Wir kehren aufgrund reiner Gnade zurück und durch unser
Festhalten an dieser Gnade, wenn wir verstehen und erfahren, dass es sich hier
um kein künstlich Zusatzelement zu unserem Naturell handelt, sondern dass genau
dies uns letztendlich zu unserer wahren Berufung, unserem wahren Sein führt.
2.
Zur Hoffnung geschaffen. Etwas wie eine erste Tür zu dieser
zukünftigen Gnade ist die Verheiβung Gottes an den
Menschen (Gen 12; Lev 7,20; Ps 2,7; 56,4 119,132; Am 9,11; Mi 7,20), die in ihm
die demütige, aber weise Hoffnung
eingepflanzt hat. Alles lebt in diesem Zustand der guten Hoffnung. Sie ist eine
Art inneres Feuer, das immerzu seine Glut bewahrt, und sobald es geschürt wird,
erneut in Flammen ausbricht. Die Hoffnung hat in uns allen die Haltung geprägt,
die uns Menschen kennzeichnet, aufrecht und auf den Horizont spähend, von dem
wir vertrauensvoll ein künftiges Gut erwarten. So leben wir, aufgerichtet und
in Erwartung einer Gabe, denn dafür wurden wir geschaffen und danach zieht es
unser Herz und unser Leben, denn wir haben die Gewissheit, dass das, was uns
umgibt, nicht das letzte Wort haben wird, dass immer etwas ausbleiben wird.
Deshalb setzen wir auf die hoffnungsvolle
Erwartung, und zwar auf eine derart bedingungslose Art und Weise, dass ihr
Fehlen ein Ausdruck dafür ist, dass sich bereits eine gewisse Art des Todes
eingestellt hat. Die Verheiβung hat im innersten des Herzens eine
Gewissheit der Erlösung hinterlassen, des Lichtes, des Glücks, der wahren
Freude ...
Wenn auch die Verheiβung sich nicht gleich
erfüllt, die Hoffnung lässt nie im Stich. Und diese kleine und verborgene
Hoffnung, geheim und unbezähmbar, ist nur schwer zu ersticken, zu ertränken,
mundtot zu machen. Wenn über den Tod hinaus nur die Liebe überleben wird, wird dieHoffnung
es sein, die uns bis zu diesem entscheidenden Augenblick trägt und die uns in die Hände der ewigen Liebe legt.
Immer wird sie das letzte Wort haben, über unser Leben entscheiden ... Deshalb
wird dort, wo es Hoffnung gibt, immer auch Kampf, Suche, Erneuerung existieren
... denn wo sie ist, gibt man niemals auf. Es ist die kühne Hoffnung, die
glaubt, dass sich auf dem Boden unserer Unmöglichkeiten das Zelt des Heils
errichten lässt. Es ist die demütige Hoffnung, die gleich eines kleinen Samenkorns
emporwachsen kann zu einem grossen, starken Baum. Es ist allein die
widerstandsfähige Hoffnung, die inmitten des Horrors Leben erhalten kann.
Deshalb ist es uns Gläubigen nicht gestattet, das geknickte Rohr zu
zerbrechen, den glimmenden Docht, das beginnende Leben auszulöschen, denn sie
bergen in ihrer Schwachheit noch den Lebenssaft und die Glut der Hoffnung. Der
Christ wird immer an einer dreifachen Verpflichtung der Wahrheit des Menschen
gegenüber festhalten: dass es in ihm ein unantastbares „Den-du-nicht-anrühren-wirst“
gibt; dass nichts vollkommen unwiderruflich, fatal, unentschuldbar, nicht
wieder gutzumachen ... ist; dass die Wirklichkeit nicht einfach nur das ist,
was sie ist, sondern das, was sie sein könnte, was sie sein sollte, was
wünschenswert wäre. Und all das, weil wir durch seine Liebe in Hoffnung
geschaffen sind.
3.
Aus dieser widerstandsfähigen Hoffnung
heraus erhebt sich der Schrei, die Anrufung, das Seufzen, die Bitte an Gott, dass er seine Verheiβungen erfüllen möge.
„Reiss doch den Himmel auf, und komm herab, so dass die Berge zittern vor dir“
(Jes 63,19) ... Such mich auf und bring mir Hilfe! (Ps 106,4) ... „Wende dich
uns wieder zu! ... Sorge für diesen Weinstock und für den Garten, den deine
Rechte gepflanzt hat. ... Erhalt uns am Leben! Dann wollen wir deinen Namen
anrufen ... Lass dein Angesicht leuchten, dann ist uns geholfen“ (Ps 80). Zieh
uns zu dir, damit wir zurückkehren ... Komm, Herr Jesus ... Diese Schreie umfassen
alle Schreie der Menschen, alle Zweifel, alle Sehnsüchte, alle Hoffnungen, auch
wenn sie an nichts und niemanden gerichtet sind, erhoben aus Situationen der
schrecklichsten Entfremdung, der zerstörerischsten Abwesenheit Gottes. Denn es
gibt keinen anderen Weg, als an dieser guten Hoffnung festzuhalten. Deshalb
nähert sich die Kirche dem Tag der Geburt Jesu mit den schönsten
Adventsgesängen und –antifonen an den, der kommen wird, die ihn drängen, sein
Kommen zu beschleunigen: O Weisheit, o Adonai, o Sproß, o Schlüssel, o
Morgenstern, o König, o Immanuel ... Komm und erleuchte uns, komm und befreie
uns, komm und zeig uns den Weg, komm und rette uns!
4.
Wir wurden in Hoffnung gerettet. Und Gott erfüllt seine Verheiβung an den Menschen in seinem Sohn, der endgültigen
Gnade, der Fülle der Gnade. Gott ist uns unendlich nahe gekommen in Jesus. Im
kleinen Kind von Betlehem ist uns die „Güte und Menschenliebe Gottes, unseres
Retters, erschienen“ (Titus 3,4). Dies ist die gute Nachricht. Er ist der neue
brennende Dornbusch, Er wird die Schreie des Armen erhören, dem zu Hilfe eilen,
der keinen Beschützer hatte, Er wird der nahe Gott und Weggefährte des Menschen
sein. Dem Menschen so nahe, dass er für die Suche nach ihm bis zum allerletzten
Ende geht, bis zur Todesgrenze, bis zum Abgrund der Hölle. Ohne sich weder
durch Gewalt noch durch Demütigung aufzudrängen, sondern er hat den Weg des
Entgegenkommens gewählt, sich erniedrigt, klein gemacht, inexistent, arm,
demütig, um sich uns zu nähern. Seine Nähe hat ihn nicht nur zu einem
Entgegenkommen geführt, sondern auch dazu, einer von uns zu werden, und, mehr
noch, sogar unseren Platz einzunehmen hinsichtlich all des Schrecklichen, was
uns widerfährt (Mt 25, 40). Auf diese Weise ist die Güte und Menschenliebe
Gottes zu uns gekommen, sie hat alle unsere Erwartungen und Hoffnungen
übertroffen, und uns mit einer uns bis dahin unbekannten Liebe, Barmherzigkeit
und Erbarmen zugedeckt,
5.
Die Tür, die den Rückweg öffnet. Jesus Christus, der in die Welt kam, um die Welt zu retten, ist die
überreiche Erfüllung der Verheiβung Gottes an unsere Väter. Er ist der Grund
unserer Rückkehr zu Gott. Wenn wir auf Gott schauen, der sich dem Menschen
zugeneigt hat und bis zu seiner Ebene heruntergestiegen ist, entdecken wir die
kniende Liebe Gottes, der nichts anderes möchte, als dass sein Geschöpf heil
wird. Die groβzügig erfüllte Verheiβung hat die Kraft des Heils und der
Rettung, die erhebt und groβ macht, und die demütige Schwachheit die einer
Liebe, die herabgekommen ist zu dem Geliebten mit der Bitte, dass er
zurückkehren möge. „Weil ich dich liebe, rette ich dich“. Dieses Paradox zieht
den Blick auf sich, wirft Fragen auf, erweckt Staunen, bringt eine Verwandlung
in Gang, eine Veränderung, eine Rückkehr, die Umkehr des Menschen zu diesem
Gott, der ihn so sehr liebt. In Jesus sagt Gott selbst dem Menschen: „ Ich bin
hier und liebe dich. Ich bin es, fürchte dich nicht. Ich bin gekommen, um deine
Existenz zu umarmen wie ein Geliebter, dein Unglück auf mich zu nehmen wie ein
Gemahl, deine Wunden zu heilen wie ein Arzt, mit meiner Zärtlichkeit und
Barmherzigkeit all deine Nacktheit und Schutzlosigkeit zu bedecken. Nein, ich
habe dich nicht vergessen. Alles war ausgerichtet auf diesen Augenblick der
brennenden Liebe und Barmherzigkeit. Mit dir mache ich mich klein, ich komme zu
dir herab, für dich bringe ich mich dar und gebe mich in deine Hand. Ich bin
gekommen. Ich bin dein.“
Dies ist der Weg,
den Gott gewählt hat, um uns zu finden und zurückkehren zu lassen ... und auf
diesem Weg muss der Mensch zu ihm zurückkehren (Hl. Augustinus, Predigt 279, 7,
„Er bleibt dort, wohin wir gehen, kam auf dem Weg, auf dem wir zurückkehren“).
Die Gnade seines Kommens ist ein Zeichen der Hoffnung, weil er damit einen
Rückweg aufgezeigt hat. Treten auch wir über diese Türschwelle, die der Demut
und des Kleinseins, der Erniedrigung und des Hinabsteigens, um uns auf den
Rückweg zum Haus des Vaters zu machen. Der gröβte Ausdruck der
Barmherzigkeit und der Güte Gottes gegenüber denen, die im Schatten des Todes
lebten, trägt das Zeichen Jesu, der ein Kind in Betlehem wurde. Hier finden wir
den ersten Meilenstein auf dem Rückweg zum Vater. Hier beginnt die Erfüllung
der Verheiβung, hier schlägt unsere letztendliche
Hoffnung Wurzeln. Hier verdeutlicht sich uns, wie wir, die wir an Ihn glauben,
unter den Menschen leben sollen. Es wird immer die Güte sein, ausgedrückt in
einem demütigen Mit-hinabsteigen, die den Weg der Liebe zum Menschen
vorzeichnet. Und wer sich auf diese Weise geliebt weiβ, wird sich aufrichten
und sich – angesichts der Erfüllung seiner Hoffnung – auf den Weg zum Vater machen.
Unsere Gemeinschaft hält
Euch alle präsent und betet für Euch in aufrichtiger Zuneigung. Innigst
verbunden.
¡Feliz Navidad! Frohe
Weihnachten! Ein frohes Kommen Gottes zu uns in demütiger Kleinheit und Armut!
Oh glückliche Nähe Gottes, durch die er uns zu sich zurückkehren lieβ.
M. Prado
Comunidad de la Conversión/Gemeinschaft der
Bekehrung
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